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Evangelische Gottesdienste auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof

Ab Februar feiert die Evangelische Kirchengemeinde in der Friedrichstadt ihre Gottesdienste auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, in der vom Lichtkünstler James Turrell neugestalteten Kapelle, jeden Sonntag um 10 Uhr, Chausseestraße 126, neben dem Brecht-Haus.

James Turrell, "Luther’s Light", Kapelle auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof (Foto © Florian Holzherr)
© Florian Holzherr

Der Grund ist, dass die Französische Friedrichstadtkirche auf dem Gendarmenmarkt wegen Umbaus für längere Zeit geschlossen ist. Doch das heißt nicht, dass die Nutzung der Turrell-Kapelle nur eine Notlösung ist – es ist ein guter Ort. Auf diesem Friedhof liegen viele Dichter und Denker. Das ist eine anregende Umgebung für Gottesdienste, die ja nicht eng und borniert im eigenen Saft schmoren, im kirchlichen Mief es sich gemütlich machen sollen, sondern im Gespräch mit kritischen, auch religions- und ideologiekritischen Autoren der Vergangenheit und Gegenwart. Und nicht nur Büchermenschen sind da begraben – und zwischen ihnen der gelernte Buchhändler und bibelfeste evangelische Christ Johannes Rau –, auch Wissenschaftler, Baumeister, Theaterleute, auch einige der nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer. Wer auf diesem Friedhof spazieren geht, bekommt viel Stoff zum Denken und Erinnern. Neben der Kapelle befindet sich das schöne Café Ca’Doro. Seine Betreiberin hat sich dazu bereiterklärt, künftig sonntags bereits um 11 Uhr zu öffnen, so dass man dort direkt nach dem Gottesdienst einen Kaffee trinken kann. Da gibt es viele Bücher der hier Beerdigten, alle gespendet.

Früher waren ja fast alle Kirchen von Kirchhöfen umgeben, und bei Dorfkirchen, auch in Berlin, ist das noch so. Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden, hat Jesus gesagt: Ihm leben sie alle. Das soll auch unser Gemeindeleben prägen: Tote sollen nicht vergessen sein, sondern in unserer Gemeinde, in unseren Gottesdiensten möglichst Sitz und Stimme haben, und vielleicht wird das spürbarer, wenn wir unsere Gottesdienste dort feiern und nach dem Gottesdienst da noch ein wenig spazieren gehen.

Wolf Biermann, der lange gleich ums Eck, in der Chausseestraße 131, wohnte, hat ein schönes Lied über diesen Friedhof geschrieben, den er freilich versehentlich den Friedhof der Hugenotten nennt, also mit seinem Nachbarn verwechselt hat. Auch Günter Kunert, vor kurzem verstorben, der ganz in der Nähe geboren wurde, schrieb ein Gedicht: Vom Dorotheenstädtischen Friedhof, hat aber für sich selbst entschieden, nicht dort beerdigt zu werden, sondern auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee.

Doch unter den kirchlichen Friedhöfen ist der Dorotheenstädtische der jüdischste: Anna Seghers, Lin Jaldati, Helene Weigel, Hanns Eisler, Hans Mayer, Thomas Brasch, Stephan Hermlin, Jürgen Kuczynski, Arnold Zweig, Arnolt Bronnen, Herbert Marcuse u. a. – viele der nichtgläubigen Juden ließen sich dort begraben, nicht in Weißensee. Auch das ist eine gute Umgebung für unsere Gottesdienste; unsere Kirche hat sich in ihrer Grundordnung zur "Anteilnahme am Weg des jüdischen Volkes" verpflichtet, also nicht nur am Weg der Menschen jüdischen Glaubens.

In der Kapelle wird immer von Freitag bis Montag zum Sonnenuntergang die für diese Kapelle konzipierte Lichtkunst des amerikanischen Künstlers James Turrell präsentiert. Künftig soll es dazu an einem Montag im Monat zu Beginn, d. h. zur "blauen Stunde" der Lichtkunst, auch Orgelmusik geben, gespielt von Kirchenmusikdirektor Kilian Nauhaus. Die nächsten Termine dafür sind der 20. Januar, 16 Uhr. und der 17. Februar, 16.45 Uhr. Der Eintritt zu Lichtkunst und Orgelmusik beträgt 10 €, ermäßigt 5 €.

Der Friedhof ist mit der U-Bahn oder Straßenbahn gut erreichbar (Oranienburger Tor oder Naturkundemuseum | Umgebungsplan) und schon jetzt ein vielbesuchter Ort. Dass da jeden Sonntag um zehn Gottesdienst stattfinden, ist freilich neu: herzliche Einladung! 
 

Matthias Loerbroks, Pfarrer, Evangelische Kirchengemeinde in der Friedrichstadt